vorwort vorwort willkommen, bienvenue, welcome! im cabaret an der spree geht die post ab man könnte den inhalt dieses buches in einem satz des baye- rischen schriftstellers, religionskritikers und nervenarztes oskar panizza (1853-1921) zusammenfassen: „der wahn- sinn, wenn er epidemisch wird, heißt vernunft.“ oder noch knapper: „willkommen im irrenhaus deutschland!“ will- kommen in einem land, dessen kinderlose kanzlerin von ihrem volk „mutti“ gerufen wird. willkommen in einem land, in dem „willkommenskultur“ als abschaffung der nationalen souveränität praktiziert wird. willkommen in einem land, dessen außenminister sich in israel mit „regie- rungskritikern“ und „vertretern der zivilgesellschaft“ trifft, der aber als wirtschaftsminister nichts vergleichbares unter- nommen hat, als er den iran besuchte. willkommen in einem land, dessen einwohner keine deutschen, sondern nur noch „europäer“ sein wollen. willkommen in einem land, das der ganzen welt ein vorbild sein will: bei der müllentsorgung, beim klimaschutz, bei der energiewende, die bis 2050 vollendet sein soll, zugleich mit der reform der gymnasialen oberstufe. in dem eine zwangsge- bühr als „demokratie-abgabe“, als „ein beitrag für die funk- tionsfähigkeit unseres staatswesens und unserer gesellschaft“ deklariert wird. in dem allen ernstes darüber debattiert wird, ob sich die gesellschaft den zuwanderern „öffnen“ soll, oder die zuwanderer die regeln der gesellschaft annehmen sollen. willkommen! herzlich willkommen! und nochmal will- kommen, bienvenue, welcome! im cabaret an der spree geht die post ab. es gibt einige gute und sehr gute texte über die geistig-morali- sche wende, die von der kanzlerin zum politischen programm erhoben wurde. dieser hier – ich meine das buch von markus vahlefeld – ist der beste. ich sage das mit einem leichten anflug von neid, denn ich habe mich ebenfalls mit dem thema ausgiebig beschäftigt, wenn auch nicht so gründlich und so radikal wie vahlefeld. ich habe phänomene beschrieben, um sie festzuhalten, damit sie nicht im abgrund der geschichte verschwinden, vahlefeld nimmt sie auseinander, bis nur kleine häufchen von anmaßung, elend und ratlosigkeit übrig bleiben. ich bin ein chronist, vahlefeld ist der analytiker einer übersättigten, wohlstandsverwahrlosten gesellschaft, die ihren eigenen untergang herbeisehnt. er setzt damit die arbeit von eike geisel (1945-1997) fort, der bereits kurz nach dem fall der mauer vor der „wieder- gutwerdung der deutschen“ bzw. deutschlands gewarnt hat. inzwischen ist deutschland „ökologischer, weiblicher, offener, föderaler“ und „weniger militärisch“ geworden (bernd ulrich, stellvertretender chefredakteur der zeit), als es je ein land, eine gesellschaft in der geschichte der menschheit war. wir sind, sagt ulrich, „ein besseres volk“ geworden, und das „ist doch etwas großartiges“. ein „lummerland“, wie in einem märchen von michael ende, das sich aber nur dem erschließt, der das „tal der dämmerung“ unter schmerzen durchquert hat. und der „scheinriese“, der mit zunehmender entfernung immer größer und mächtiger wird, ist die vergangenheit. es handelt sich nicht nur um ein seltsames phänomen, das allen regeln der optik und der physik widerspricht, sondern um eine wahrnehmungsstörung, die so weit verbreitet ist, dass sie nicht mehr als störung empfunden wird. in einer gesell- 8 9